"Schreiben nach Gehör“ ist unterlassene Hilfeleistung
von Bianca Brieke
Eltern vertrauen darauf, dass ihren Kindern in den Grundschulen ein sicheres Basiswissen vermittelt wird. Lesen und regelgerechtes Schreiben gehören unstreitig zu den Fähigkeiten, die ein Kind, wenn es von der Grundschule an eine weiterführende Schule wechselt und mit den dortigen höheren Anforderungen zurecht kommen muss, beherrschen sollte. Bei der Methode „Schreiben nach Gehör“ dürfen Kinder in den ersten beiden Schuljahren alle Wörter so schreiben, wie sie sie hören. Sinn und vor allem ein Nutzen, warum diese Methode in den Deutschunterricht Einzug gehalten hat, sind nicht erkennbar. Niemand käme z.B. auf die Idee, bei den Grundrechenarten oder beim kleinen 1x1 eine ähnliche Kreativität zuzulassen.
Eltern werden ausdrücklich gebeten, fehlerhafte Schreibweisen nicht zu verbessern, da das Anstreichen von Fehlern demotivierend auf die Kinder wirke. Spätestens, wenn ab der dritten Klasse regelgerechtes Schreiben verlangt wird, und damit etwas verlangt wird, was nicht vermittelt wurde, stellt sich die Demotivierung bei den Kindern von ganz allein ein. Sie müssen mehr oder weniger noch einmal von vorn anfangen. Eltern, die „Schreiben nach Gehör“ als nicht sinnvoll erachten, tun sicher gut daran, von Anfang an darauf zu achten, dass ihre Kinder die korrekte Schreibweise verinnerlichen. Doch nicht jedes Kind toleriert die Belastung, die aus so einer Doppelbeschulung entsteht und nicht alle Eltern sind in der Lage zu Hause zu leisten, was eigentlich Aufgabe der Schule ist. Kinder haben nicht nur ein Recht auf Bildung, sondern sie haben auch ein Recht darauf, dass ihnen diese Bildung sinnvoll und nachhaltig vermittelt wird.
Schulen und Lehrer genießen in der Wahl ihrer Unterrichtsmethoden große Freiheiten. Erfolgskontrollen, wie etwa länderübergreifende Vergleichsarbeiten, gibt es wenig bzw. finden diese nur selten statt. Welche Grundschule ein Kind besucht, bestimmt mit der Einteilung der Schulbezirke maßgeblich der Wohnort der Eltern. Eltern haben also kaum eine Möglichkeit, die Grundschule ihres Kindes auszuwählen. Sie müssen auf die Art der Wissensvermittlung in „ihrer“ Grundschule vertrauen und diese entscheidet eben auch darüber, ob regelgerechtes Schreiben oder Schreiben nach Gehörtem erfolgt, eine Entscheidung mit möglicherweise weitreichenden Folgen!